Am 7.Oktober kamen wir nach einer anstrengenden Fahrt mit vielen Staus und Unfällen in unserem Hotel in Orosháza an. Nach einer netten Plauderrunde fielen wir alle müde und erledigt ins Bett. Adrix, unser männlicher Begleiter, war zum zweiten Mal vor Ort, für Monika, Rosi und mich sollte am nächsten Tag der erste Besuch in den Tierheimen Orosháza und Szentes anstehen.
Früh brachen wir auf, um all unsere Aufgaben erledigen zu können. Ich muss gestehen, dass die „Straße“ zum Tierheim mir ein wenig den Angstschweiß auf die Stirn trieb, da ich befürchtete mein Auto könnte diese Tortur nicht überleben. Im Schritttempo tuckelten Rosi und ich also von Schlagloch zu Schlagloch, beneideten Adrix um die Bodenfreiheit seines VW-Busses, und erreichten zum Glück unbeschadet und lediglich eingeschlammt unser Ziel.
Vor dem Tierheim sahen wir gleich mehrere freilaufende Hunde, die zur Begrüßung auf uns zugerannt kamen. Noch bevor wir durch das Tor ins Tierheim gingen, erkannten wir einige Hunde, die wir auf unserer Homepage inseriert haben. Im Gegensatz zu unseren Kollegen der letzten Fahrt, hatten wir das große Glück, dass die Sonne schien und die schlimmen Überschwemmungen die es gegeben hatte, abgetrocknet waren.
Trotzdem wir ja nun schon viele Male in Ungarn waren, und viel Elend gesehen haben, ist es immer wieder ein beklemmendes Gefühl vor den Zwingern zu stehen und in die vielen hoffenden Augen der wunderbaren Hunde zu schauen. Wenn man weiß, dass es ihnen wahrscheinlich nie vergönnt sein wird ein liebevolles Zuhause zu finden, dass sie ihr ganzes Leben hinter Gittern, inmitten von zig anderen, verbringen müssen, sie niemals einen Platz als geliebter Vierbeiner auf einem Sofa oder in einem weichen Körbchen erobern werden, dann tut das einfach weh, und man spürt schnell eine gewisse Ohnmacht. Zig Hundepfoten und Nasen reckten sich durch die Gitter und versuchten eine streichelnde Hand zu ergattern. Wir schauten in viele junge und alte Augenpaare, die uns mitten ins Herz trafen.
Wir knuddelten und streichelten soviel wir konnten, aber wir wussten, dass wir wieder gehen müssen und die Hoffnung, die wir in vielen Hundeaugen sahen, wieder enttäuschen werden. Manche Hunde wollten aber auch nichts mit uns zu tun haben, sie blieben skeptisch in ihren Hütten liegen und hatten es offenbar bereits aufgegeben den Kontakt zu suchen. Zu oft schon waren Menschen gekommen und hatten sie dann doch nicht beachtet.
Beim ersten Kontakt zu Lindi war sie sehr zurückhaltend und skeptisch, aber als ich das zweite Mal in ihr Gehege kam, da lief sie lachend auf mich zu und begrüßte mich mit einer Spielaufforderung, so dass ich mit den Tränen kämpfen musste. Nun konnte ich sie streicheln und sie drückte sich immer fester an mich. Wir waren alle sehr gerührt und bedauerten, dass diese wunderbare Hündin immer noch keine Interessenten hat. Jaffa erlebten wir im Zwinger unruhig und aufgeregt, er rannte ständig hin und her und schien keine Ruhe finden zu können. Als wir Icus baten, ihn in den Freilauf zu nehmen, waren wir dann erstaunt, wie gelassen er plötzlich war, wie er seelenruhig alles abschnüffelte hin und herstolzierte und seinen Ausgang sichtlich genoss. Nichts mehr von Unruhe, ein ganz souveräner verträglicher Hund, der einzig und allein unter der Beschränktheit seines Zwingers leidet. Aber Jaffa ist nicht alleine m Tierheim, deshalb sind diese kurzen Ausflüge eben nur ein winziger Moment in seinem Leben.
In einem hinteren Zwinger entdeckten wir eine sehr große alte Hündin, man sah ihr an, dass sie Schmerzen beim Aufstehen und Laufen hatte. Ihr trauriger Blick wird noch lange in meinem Gedächtnis bleiben.
Abends erfuhren wir von Icus, dass sie nicht zu vermitteln sei, da sie mit dem großen alten Rüden, der ihren Zwinger teilt, ein Herz und eine Seele wäre. Wir überlegten wie wir der alten Hundedame trotzdem helfen könnten, und kamen zu dem Ergebnis, dass eine riesige windgeschützte Hütte für die beiden Alten gemeinsam eine Verbesserung darstellen könnte.
Die Mitarbeiter im Tierheim arbeiteten ununterbrochen, hielten alles sauber, bereiteten das Essen für die Hunde aus Brot und gekochtem Fleisch vor, und trotz der Umstände merkte man, dass sie es mit den Tieren wirklich gut meinen, dass sie tun was sie können, um den Hunden das Leben erträglicher zu machen. Einige der Hunde erhielten gruppenweise Freilauf und tobten sich so aus. Aber auch diese wirklich schöne Tatsache konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hunde in einem ungarischen Tierheim leben, dem der nächste harte Winter bevorsteht und dem es an vielem Notwendigen mangelt.
Nachdem wir fotografiert, gefilmt, vermessen und Spenden ausgeladen hatten, ging es dann weiter zum Tierheim Szentes.In Szentes angekommen, wurden wir von einem ohrenbetäubenden Lärm überwältigt.
Das Tierheim ist nach wie vor hoffnungslos überfüllt. Wir fotografierten alleine über 30 Neuzugänge der letzten Tage. Auf den letzten paar freien Quadratmetern war ein neuer Zwinger errichtet worden, der bereits voll mit Hunden war. Hier hatte man viele der Welpen zusammen mit kleinen erwachsenen Hunden untergebracht. Sie drängten sich aneinander suchten Schutz oder verkrochen sich in einer der Plastikkisten die auf dem Boden verteilt waren. Kleine wunderschöne winzige Hundebabys, die ungewollt auf diese Welt gekommen sind, die man wie Müll entsorgt hatte, oder die im Tierheim geboren wurden, weil man zu viele Hunde beherbergen muss, keine Möglichkeit zur Trennung der Geschlechter hat, und vor allem kein Geld für Kastrationen.
In den Zwingern befinden sich weit mehr als doppelt so viele Hunde, wie eigentlich zu verkraften wäre. Viele Hunde haben Bissverletzungen, Ekzeme, Bindehautprobleme oder Husten. Manche hocken resigniert in alten zerfallenen Hütten, die bei Regen keinerlei Schutz bieten könnten, andere springen bellend an die morschen und teilweise gefährlichen Zäune. Die Atmosphäre ist oft aggressiv, da die verzweifelten Tiere mit aller Macht versuchen auf sich aufmerksam zu machen oder einfach ihrem erbärmlichem Frust Ausdruck verleihen. In einigen Zwingern sitzen nur kleine Hunde, allesamt süß, lieb und sehr traurig. In einem deutschen Tierheim würden diese Hunde sicherlich nicht länger als eine Woche warten müssen, dann wären sie adoptiert. Aber auch die Großen, einer schöner als der andere, verzweifelt und verurteilt dazu ein schreckliches Dasein zu ertragen. Auch einige sogenannte Kampfhunde, geboren im falschen Pelz, hocken resigniert und schauen aus traurigen Augen, denen man ansieht, dass sie bereits die Hölle gesehen haben. Für die Hunde in Szentes gilt, kein Platz für Individualdistanz, kein Platz zum Zurückziehen, jeder Tag ein einziger Kampf ums Überleben.
Im Container zeigte uns Ildiko dann zwei kranke Hunde, sie waren nur noch Haut und Knochen, daneben ein Käfig mit einer Mutterhündin, dackelgroß mit unglaublich niedlichen Welpen, und gegenüber ein winziges Kätzchen, dass seine Trauer und Angst laut herausschrie.
Ich kann es kaum in Worte fassen, was ich beim Anblick dieser Zustände empfunden habe. Um emotional damit überhaupt klarzukommen, haben wir uns mehr oder weniger hinter unseren Fotoapparaten und Kameras versteckt. Mit diesem Stück Plastik vor den Augen schafft man sich die Distanz die man braucht, um nicht zusammenzubrechen.
Man kann sich nicht daran gewöhnen, eigentlich kann man es nicht ertragen. Die Bilder prägen sich ein, fressen sich fest, brennen sich ins Gehirn, und man weiß einfach nicht was man tun kann, damit diesen hilflosen Hunden das Leben erleichtert werden kann.
Aber eins ist sicher, man darf dieses Tierheim nicht im Stich lassen, und egal wie schwer es fällt, egal an welche Grenzen wir stoßen, wir müssen alles versuchen, um die Verhältnisse vor Ort zu verbessern. Resignation wäre das Falscheste, und deshalb müssen wir weitermachen, müssen dafür kämpfen, dass den Hunden geholfen werden kann!!!
Aufgewühlt und traurig trafen wir uns abends mit Icus, Eva, und anderen zum Essen. Adrienne, die Besitzerin unseres Hotels, kam als Dolmetscherin mit. Sie hatte viel zu tun, um alle Fragen und Antworten zu übermitteln. Das leckere Essen und die nette Gesellschaft lenkte uns wieder ein bisschen ab, und wir gingen zeitig zu Bett, da wir ja einen sehr anstrengenden Tag hinter uns und vor uns hatten.
Am nächsten Morgen haben wir zuerst die vermittelten Hunde aus Orosháza abgeholt. Die Mitarbeiter hatten Tränen in den Augen als einer nach dem anderen in unseren Autos verschwand. Alle wurden liebevoll verabschiedet. Die Hunde legten sich gleich hin und fühlten sich in ihrer Box gar nicht so unwohl, wie es schien. Wir hatten uns auch alle Mühe gegeben, sie so komfortabel wie möglich reisen zu lassen.
Dann fuhren wir nach Szentes und luden dort die nächsten Hunde ein. Auch hier flossen Tränen und eine Mitarbeiterin redete ununterbrochen auf mich ein, als sie mir Borzaska in die Arme drückte. Ich verstand kein Wort, aber ich bin sicher, dass sie sagte, wie sehr sie an ihr hängt, und dass sie ihr alles Gute wünscht.
Wir fuhren weiter zu Kerstin und Fritz, um Snoopy und Zipfel abzuholen. Da beide keine Lust hatten auch nur einen Schritt zu gehen, mussten wir sie ins Auto tragen.
Gegen Mittag brachen wir dann auf zur langen Heimreise. Leider hingen wir schon nach kurzer Zeit in einem kilometerlangen Stau bei Budapest fest und unsere Geduld, sowie unsere Blasen, wurden auf eine harte Probe gestellt.
Nach 2 Stunden konnten wir endlich weiterfahren und kamen gut voran. Nach vielen Stunden ermüdender Fahrt kamen wir mit ordentlicher Verspätung zur ersten Übergabe.
Erschöpft, aber froh, zumindest schon mal in Deutschland zu sein, setzen wir unseren Weg fort und brachten die Hunde zu ihren netten neuen Besitzern. Mit Geschenken und lieben Worten bedacht, fuhren wir weiter und zu allem Überfluss gab es noch eine Vollsperrung der Autobahn bei Nürnberg.
In Kassel war dann für Rosi und mich Ende der Fahrt, und wir übergaben die letzten Hunde aus unserem Auto. Susanne erwartete uns mit Kaffee und Brötchen, und auch Erika war zur Übergabe auf die Autobahn gekommen. Adrix und Monika hatten noch ein weites Stück Fahrt vor sich, und wir waren sehr froh, als wir informiert wurden, dass sie Stunden später auch gut zuhause angekommen sind, und auch den letzten Hund an glückliche Menschen übergeben konnten.
Abschließend möchte ich sagen, dass mich die Eindrücke der Fahrt noch immer sehr bewegen, und dass mir wieder einmal ganz nah vor Augen geführt wurde, wie wichtig unsere Hilfe ist, gerade für die Hunde, die die Tierheime nie verlassen werden. Gemeinsam können wir viel erreichen, wir dürfen nicht aufgeben, wir müssen weitermachen und uns einsetzen, für die die keine Chance haben. Bitte helfen Sie uns, den Hunden von Orosháza und Szentes zu helfen!!!
Diese Hunde brauchen uns.
Regina Kubiak-Heutling