11.01.2019
Liebe Tierfreundinnen, liebe Tierfreunde,
für die erste Fahrt im neuen Jahr laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Trotzdem ist es Zeit, einen Blick zurück zu wagen. Unser Teammitglied Kai Richter hat von der letzten Fahrt im Dezember 2018 einen Reisenbericht mit vielen bewegten Bildern verfasst.
Ein Freund, der Salz süß werden lässt
und die Dunkelheit erhellt.
(John Masefield)
Unsere Reisen nach Ungarn sind in vielerlei Hinsicht stets eine Herausforderung. Die aufkommende Nervosität vor Beginn der Fahrt, die unzähligen Autobahnkilometer, der Kampf mit dem aus den Fugen geratenen Wach-Schlaf-Rhythmus, die Frage, warum man sich das antut, die Freude endlich am Ziel zu sein, die Gewissheit, nach wenigen Tagen den Rückweg antreten zu müssen-das gehört alles dazu.
Und ist mit einem Schlag vergessen, wenn uns die ersten bekannten Hundeaugen bei Ankunft am Tierheim durch das rostige Eingangstor beobachten und uns mit lautem Getöne begrüßen.
Dieses Mal muss das traditionelle Begrüßungsrudel jedoch warten. Ein Hund läuft fröhlich umher. Es ist ein kleiner Hund, der sich so sehr seiner kurzen Freiheit erfreut und meine Aufmerksamkeit sofort auf sich zieht. Der Blick sagt „hier bin ich. Sei mein Freund!“ Und das möchte ich wirklich sofort sein, werde aber durch die nicht zu überhörende Geräuschkulisse aus dem Tierheim daran erinnert, dass es hinter dem rostigen Tor so viele Hunde gibt, die auf einen Freund warten und das manchmal jahrelang.
Das kleine Begrüßungsrudel lässt nicht locker. Und so werden erst mal ein paar Leckerbissen verteilt. Ich bahne mir den Weg vorsichtig durch die Schar der mich immer wieder mit Stubsern von allen Seiten erinnernden Hunde. „Hey, wir sind hier!Bleib bei uns!“ Ich brauche mir aber keine Sorgen zu machen, denn nun stehen wir unter Beobachtung, werden nicht aus den Augen gelassen und jeder unserer Schritte beobachtet. Und dies endet nicht, wenn wir einen der Hunde besuchen, die nicht oder selten das Privileg haben, sich frei auf dem Tierheimgelände bewegen zu können.
Viele Hunde im Tierheim sind die sprichwörtliche „graue Maus“ und haben dazu auch noch mit den Jahren eine graue Schnauze bekommen. Und doch fallen sie auf und strahlen einen an. „Komm zu mir! Ich will dein Freund sein!“ Parázs wartet am Gitter und macht auf sich aufmerksam. Er ist einer dieser ungesehenen Hunde. Das kurze Beisammensein genießen wir beide. Parázs Blick ist offen und ehrlich. Parázs wartet seit 2016 auf einen Freund.
Ihre Freude ist so offenherzig und dabei ungestüm. Man kann sich ihrem Charme und ihrem so liebenswerten Charakter nicht entziehen. Wieder ein Hund mit grauem Schnäuzchen und ein bisschen Kummerspeck auf den Rippen. Das ist Lujzi. Wenn ich an sie denke, wünsche ich mir für sie einen Freund für immer. Sie strahlt und man kann wirklich nur eines sagen: mit ihr an der Seite wird Salz zu Zucker! Lujzi wartet seit zweieinhalb Jahren darauf entdeckt zu werden.
Manchmal, ja manchmal geschehen auch so ganz kleine Wunder im Tierheim. Hunde wirken manchmal traurig oder man meint, dass sie resigniert haben ob des langweiligen Tierheimalltages. Und dann erlebt man sie plötzlich ganz anders. Dann leuchten sie auf und man strahlt mit ihnen um die Wette. So ein Hund ist Cseles. Eigentlich sollte die entzückende Bim die Diva in dem folgenden kleinen Video sein, aber Cseles stiehlt ihr ein bisschen die Show und zeigt uns, dass er auch ein richtig fröhlicher Kerl sein kann. Das ist seine Art zu sagen „ich freue mich, dass du da bist, Freund!“. Und einen Freund hat Cseles nach über drei Jahren Tierheimleben mehr als verdient.
Die kleine Bim will ich aber nicht vergessen. Sie hat sich sofort entschieden. „Du da, du bist nun meine Freundin!“ Und sie zeigt, dass sich ihre Ängstlichkeit mit der Zeit in pure Freundlichkeit gewandelt hat. Ob Freundin oder Freund - Bim wartet seit Juni 2017 darauf, endlich in ein neues gemeinsames Leben starten zu dürfen.
Mano, der schwarze Schöne, hat es schwer unter den vielen Hunden im Tierheim. Er ist ein zärtlicher Hund, der diesen ruhigen Moment genießt und seine Umgebung für eine kurze Zeit vergißt. Mano, der Schöne, lebt seit fast 4 Jahren im Tierheim und träumt von Freundschaft für einen gemeinsamen Weg.
Und immer wieder ein Gewusel um unsere Füße. Ein Stubser hier, ein Zwicken dort. „Hey, wir sind immer noch da!“ Die Wintersonne tut ihr übriges, uns gute Laune zu machen.
Ein außergewöhnliches Wesen!
Ein so guter Freund und doch so verschieden.
(Thomas Mann)
Nicht jeder unserer Hunde begrüßt uns so stürmisch und ohne Vorbehalte. Da sind die Hunde, die erstmal abwarten, die sich langsam nähern und vorsichtig Kontakt aufnehmen. Diesen Hunden merkt man besonders an, dass ihre Erfahrungen und auch das Leben im Tierheim einfach ihre Spuren hinterlassen haben. Manchmal bleiben sie zurückhaltend und vorsichtig, wie Bicska. Er kann dann den Verlockungen der gut riechenden Leckerbissen aber nicht widerstehen und läßt sich dann gerne auf eine kurze Freundschaft mit mir ein. Bicska wartet seit über einem Jahr auf eine Freundschaft, die für immer halten soll.
Und hin und wieder berühren mich die Hunde, die zunächst abwartend sind und dann aber zeigen „jetzt will ich dich für mich allein als Freund“.
Nelson zeigt, dass er so gerne Freundschaft schließen möchte. Aber es steht eine imaginäre Wand aus Vorsicht und Ängstlichkeit vor ihm und er bleibt vorsichtig. Auch die Freude seines vierbeinigen Freundes, kann ihn nicht so wirklich überzeugen. Freundschaft hat manchmal auch etwas mit Geduld, aber immer mit Verständnis zu tun. Nelson, wir haben verstanden und für dich kommt nur ein ganz besonderer Mensch als Freund in Frage.
So könnte ich weiter berichten, von unseren vielen Freunden im Tierheim Orosháza.
Oft haben wir gelacht über manche lustige Einlage, die unsere Hunde uns geboten haben.
Aber auch ein Tränchen haben wir vergossen für die Hunde, die wir schon so lange kennen und die langsam im Tierheim zu Grauschnäuzchen werden. Sie warten schon lange und mit viel Geduld. Diese Hunde haben auf unserer Homepage einen eigenen Platz bekommen und suchen in der Rubrik „wir warten schon lange“ nach dem lebenslangen Freund, der in ihnen die außergewöhlichen Wesen mit der Gabe Salz süß werden zu lassen, erkennt.
Ein Tag gemeinsam mit unseren Hunden liegt hinter uns. Langsam taucht die Abendsonne die Landschaft in ein warmes Licht und es wird ruhig im Tierheim. Ich sehe, wie sich die Hunde in ihre Hütten zurückziehen und Ruhe suchen. Der ein oder andere Hund schaut uns durch das rostige Tor nach.
"Hey, meine Freunde, wir kommen wieder!“
Euer und Ihr Kai Richter vom Pusztahunde-Team